Eine Geburt verlangt dem Körper Außergewöhnliches ab. Das betrifft sowohl natürliche Geburten als auch Kaiserschnitte. Fragt man 10 Frauen nach ihren Geburtserlebnissen und deren Regenerationsdauer wird man 10 verschiedene Geschichten hören. Und wie zahlreiche Mythen rund um das Training in der Schwangerschaft kursieren, verhält es sich hier nicht viel anders.
Bevor Mütter wieder voll durchstarten, müssen sie sich nach den Strapazen der Schwangerschaft und Geburt gut um ihren Körper kümmern. Denn so können sie den Heilungsprozess post partum bestens unterstützten.

"Wann darf ich nach der Geburt wieder trainieren?"

In den ersten Wochen nach der Geburt braucht der Körper unbedingt Zeit. Er hat jede Menge damit zu tun, Verletzungen heilen zu lassen und Gewebe zu reparieren. Die Gebärmutter bildet sich zurück. Das Ablösen der Plazenta und die daraus folgenden Blutungen zeigen deutlich, dass die Reparaturarbeiten im vollen Gange sind.

Sechs Wochen sind die mindeste Zeitspanne, die sich jede Frau zur Regeneration zugestehen sollte, damit keine Folgeschäden bleiben. In dieser Zeit ist eine Belastung mit schweren Gewichten oder im hochintensiven Bereich absolut tabu.
In vielen Fällen dauert es sogar bis zu zwölf Wochen, bis sich Frauen wieder bereit fühlen, mit leichtem Training zu beginnen.

Bevor man allerdings loslegt, ist es wichtig sich folgende Dinge zu vergegenwärtigen:
* Wie war der Verlauf der Geburt
* Gab es Komplikationen oder besondere Verletzungen
* War es eine spontane Geburt oder ein Kaiserschnitt
* Wie geht es mir aktuell

Bei mehr als der Hälfte aller Frauen entsteht durch die Schwangerschaft eine Rectus Diastase. Dabei weichen die beiden Teile des geraden Bauchmuskels meist rund um den Nabel auseinander und hinterlassen einen Spalt. Dies geschieht durch den steigenden Druck des wachsenden Bauches auf das Bindegewebe. Eine Untersuchung durch Hebammen oder Gynäkologe:innen bringt Aufschluss, ob eine Rectus Diastase vorliegt. Wenn das der Fall ist, sind alle klassischen Bauchmuskelübungen vorerst mal Tabu.

In weiterer Folge lernt man, wie sich durch das bewusste Ansteuern des Transversus Abdominis (Querer tiefer Bauchmuskel) die Lücke schließen lässt. Die Übungen sind übrigens auch für alle Frauen ohne Rectus Diastase bestens geeignet, um nach der Geburt langsam erste Schritte in Richtung Training zu setzen.

Erste Schritte

Ab der dritten Woche aufwärts je nach Befinden, kann man langsam beginnen, die Bauchmuskeln und den Beckenboden beim Atmen anzusteuern. Das kann manchmal schon eine richtige Herausforderung sein. (Voraussetzung man ist absolut schmerzfrei!)
Schließlich sind diese durch den gestiegenen Bauchumfang nicht mehr so straff wie vor der Schwangerschaft. Frauen, die während der Schwangerschaft weiterhin ihre Rumpfmuskulatur und im Speziellen den Beckenboden und Transversus trainiert haben, tun sich meist leichter bei der Rückbildung.
Wichtig ist aber allemal, sich Zeit zu lassen. Denn es kann dauern, bis sich die Muskulatur so ansteuern lässt wie vor der Schwangerschaft. Geduld ist hier die Devise.

Übung Transversus- und Beckenboden-Aktivierung

Eine beckenbodenentlastende Position ist die Rückenlage mit den Beinen aufgestellt oder die Stufenlagerung (Rückenlage am Boden, Unterschenkel am Sofa). Am Anfang 5 Wiederholungen, dann langsam steigern. Immer Qualität vor Quantität.

* Einatmen: Bauch und Beckenboden entspannen
* Ausatmen: Bauch und Beckenboden aktivieren. Der Bauch sollte dabei abgeflacht werden, die Rippenbögen ziehen sanft zueinander und es fühlt sich an, wie ein breiter Gürtel, der sich um den Bauch enger zieht. Gleichzeitig spannt man den Beckenboden an. Dabei entsteht ein intraabdominaler Druck.
* Mit dem Einatmen wieder lockerlassen.

Wenn das Ansteuern des Beckenbodens und Transverus in der Rückenlage gut gelingt kann die Übung auch im Sitzen, im Stehen, im Vierfüßlerstand und allen erdenklichen Positionen umgesetzt werden.

Langsam wieder durchstarten

Ab der zwölften Woche aufwärts gilt es, Muskulatur langsam und gezielt aufzubauen. Spaziergänge mit dem Kinderwagen oder der Trage eigenen sich bestens, um an der Ausdauer zu arbeiten.

Es ist wichtig zu wissen, dass es bis zum Abstillen dauern kann, bis sich der Körper wieder auf dem Niveau vor der Schwangerschaft befindet. Dies gilt für die physische als auch psychische Belastbarkeit. Es kann eine Weile dauern, bis sich ein regelmäßiger Zyklus einstellt und man sich selbst wieder wohl fühlt im eigenen Körper. Manche Veränderungen, die im Zuge der Schwangerschaft entstanden sind, bleiben auch. So kann es sein, dass die alten Laufschuhe nicht mehr passen oder der Fahrradsitz ausgetauscht werden muss, da sich das Becken verändert hat.

Darüber hinaus ist es völlig normal, müde und erschöpft zu sein, weil der Schlafrhythmus gestört ist. Das wirkt sich beim Training auf die Leistung aus und kann, wenn man nicht vorsichtig ist, zu Verletzungen führen.

Während der Stillzeit ist es essenziell, sich ausgewogen zu ernähren. Der Körper braucht mehr Nährstoffe und eine Überbelastung im Training kann den Abbau von Knochendichte (während der Schwangerschaft im Schnitt zwischen 3% – 9%) zusätzlich begünstigen. Daher gilt es, ausreichend Flüssigkeit zuzuführen und auf die Ernährung besonders gut zu achten. Sollte die Milchproduktion weniger werden nach dem Training ist es ein Zeichen, dass der Körper nicht genügend Ressourcen zur Verfügung hat.

Trainingsinhalte

Voraussetzung ist grünes Licht aus ärztlicher Sicht.
Anfänglich liegt der Fokus auf Übungen, die darauf ausgerichtet sind, den Alltag mit Baby gut zu meistern. Wichtig ist dabei der Aufbau von Rumpfstabilität, schließlich wachsen die Kleinen rasch und das Tragen benötigt jede Menge Kraft. Bevor man sich wieder an zusätzliche Gewichte wagt, steht die technisch korrekte Ausführung der Übungen an oberster Stelle. Der Körper hat sich in den letzen Monaten hinsichtlich Anatomie und Schwerpunkt stark verändert, nun gilt es, sich an die neue Situation wieder zu gewöhnen.
Neben Stretchingeinheiten zum Ausgleich gegen Verspannungen und Übungen mit Eigenkörpergewicht können langsam Gewichte in den Trainingseinheiten zum Einsatz kommen.
Ähnlich wie im Training während der Schwangerschaft sollten die Lasten so gewählt werden, dass 15 – 20 Wiederholungen für 3 Sätze sauber ausführbar sind. Ausfallschritte und Kniebeugen lassen sich zu Beispiel gut mit dem Baby am Arm der in der Trage umsetzen...
Und je nachdem, wie der Körper auf die Belastung reagiert, steigert man das Gewicht Woche für Woche in kleinen Schritten.

Fazit: Das Training sollte sich gut anfühlen, Spaß machen und den Ressourcen entsprechend angepasst werden. Schließlich ist der neue Alltag mit Baby an sich schon eine Herausforderung.

Literaturquellen:

Stacy T. Sims, PHD: ROAR; How to match your food and fitness to your female physiology for optimum performance, great health, and a strong, lean body for life. Rodale, 2016

Evenson KR, Mottola MF, Owe KM, Rousham EK, Brown WJ. Summary of international guidelines for
physical activity after pregnancy. Obstet Gynecol Surv. 2014 Jul;69(7):407-14. doi:
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https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4134098/

Winter, E. M., Ireland, A., Butterfield, N. C., Haffner-Luntzer, M., Horcajada, M., Veldhuis-Vlug, A. G.,
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Mihevc Edwards, Kate PT, DPT. Considerations for the Postpartum Runner. Strength and Conditioning
Journal: February 2020 - Volume 42 - Issue 1 - p 45-52. doi: 10.1519/SSC.0000000000000453.